Etosha & Der Norden – Schluss

Es heißt ja immer, Afrika sei die Wiege des Lebens. Dort, in der heutigen Einöde, haben einst unsere Urahnen gehaust, sich entwickelt und schließlich über die arabische Halbinsel auf der Welt verbreitet. Die bekanntesten Fundstätten unserer prähistorischen Vorfahren liegen zwar eher im mittleren Osten des Kontinents, doch auch hier in Namibia ging die Geschichte der Menschheit nicht spurlos vorbei.
Die Felsmalereien der „White Lady“ und die Gravuren auf den Sandsteinen bei Twyfelfontain zeigen deutlich: Hier gab es schon vor vielen zehntausend Jahren menschliche Kulturen und Stämme. Die Malerei zeigen Rituale, Tiere und sogar detaillierte Pläne zu Wasserlöchern.
Wir laufen mit einem Guide, den man verpflichtend mitnehmen muss, einen schmalen Pfad entlang, der leicht bergauf durch die bekannt felsige Landschaft führt. Gerade fragen wir uns, wie präzise die „45-Minuten-Fußweg“-Angabe wohl war, als unser Tour Führer unvermittelt stehen bleibt und rechts neben dem Weg auf einen Stein deutet. Ganz unscheinbar liegt er da, wie all die anderen auch. Nicht größer, nicht schöner, nicht glatter. Ganz deutlich aber sind die jahrtausendealte Gravuren zu sehen. Einmal geschult, wie das aussieht, was wir eigentlich suchen, sieht man rings um überall die uralten Tafeln, die von Kulturen und Traditionen der Vergangenheit zeugen.
Unser nächster Stopp im mittleren Norden ist der Waterberg, genauer gesagt, das Waterberg Plateau das seinem Namen in zweierlei Hinsicht alle Ehre macht. Wem die Bezeichnung „Tafelberg“ ein Begriff ist, der kann sich dieses gigantische Schauspiel in etwa vorstellen. Nördlich der kleinen Stadt Okakarara erhebt sich wie aus dem Boden gestampft die außergewöhnliche Hochebene. 50 Kilometer lang, 20 Kilometer breit und nicht weniger als 200 Meter hoch. Das markanteste an der Formation sind dabei die kerzengeraden Abbruchkanten. Die Vegetation auf der Erhöhung, die als einzigartiger, abgeschotteter Nationalpark deklariert ist, reicht bis Nah an diese Kanten heran. Würde man oben auf eigene Faust herum stiefeln könnte man fast Gefahr laufen, abzustürzen. Soweit zu der Plateauformation, doch damit ist nur ein Teil des Namens erklärt. Bleibt noch: Water.
Unter dem Sandstein, der die sichtbare Oberfläche des Waterbergs bildet, trifft durchsickerndes Wasser etwa in „Normalbodenhöhe“ auf undurchlässiges Tongestein, wodurch am Fuße des Steilwände eine landesweit derzeit einzigartige Erscheinung auftritt:
Oberflächenwasser. Wie ein Regenrinnensystem wird das Wasser konzentriert und sparsam verteil, sodass selbst in dieser trockenen Zeit starke Quellen und Bächlein entstehen. In Folge dieser Anwesenheit von Wasser gestaltet sich die Flora rund um die Wanderpfade unbekannt dicht und urwaldartig. Ein grünes Paradies in einem völlig vertrockneten Landstück. Zweifellos eine der beeindruckendsten Erscheinungen unserer Reise, die noch gesteigert wird, wenn man sich bewusst macht, dass auf dem Plateau viele tausend Tiere leben. Teilweise bedrohte Arten, die nur hier zu finden sind und von der schützenden Abschottung des Parks nach außen profitieren.

Unsere letzte Woche bricht an, als wir uns von der Hamakari Lodge am Waterberg entfernen und entlang der B1 in Richtung Norden fahren. Dort planen wir unsere letzte und wohl spannendste Attraktion. Es gilt die Tierwelt hautnah zu erleben im riesigen Etosha-Nationalpark, der mit 20 000km² zwar nicht der größte des Landes ist, aber durch seine Vielfalt an Säugern und Vögeln heraus sticht. Wir befahren den Park durch das östliche Namutoni-Gate und begeben uns auf direktem Weg auf der einzigen Straße zügig zu unserem Camp. Denn dort schließen sie die Tore mit Sonnenuntergang, wer später kommt, hat Pech gehabt.
Der Nationalpark ist auch unter der Bezeichnung „Ethosa-Pfanne“ bekannt, was der riesigen ausgetrockneten Kalkfläche zu verdanken ist, die etwa 1/4 des gesamten Nationalparks ausmacht und wie eine vollkommen tote Fläche aussieht. Nur in sehr regenstarken Jahren füllt sich die Pfanne zu einem gigantischen See und verändert so das Gesicht des Nationalparks. Wieder einmal eine unglaubliche Transformation, die es Lust macht, dass Land zu einer anderen Zeit nochmal auf ein Neues zu erleben.
Während den drei Tagen im Park besteht unser Aktionsplan grundsätzlich aus zwei Dingen: sitzen und warten! Mit dem Auto fährt man zu einem der unzähligen Wasserlöcher, teils künstliche, teils noch natürliche, stellt den Motor ab und wartet zumeist schweigend bis sich aus dem Gebüsch die Tiere dem kühlen Nass nähern. Was langweilig klingt gestaltet sich zumeist äußert kurzweilig und abwechslungsreich. Kaum in Parkposition nähern sich große Zebra- oder Springbockherden. Es wir getrunken, gespielt, ab und an sogar gebadet. Und noch bevor die erste Familie die Bildfläche vollständig verlassen hat beginnen die nächsten Akteure ihre Vorstellung. Ob Elefanten, Oryx oder Kudus, zu allen kann man sich ein Familienstammbaum ausdenken und eine entsprechende Geschichte. So werden die Wasserlöcher schnell zu Bühnen der Tierwelt auf denen die Charakterzüge der Arten Grund zu Belustigung und Spannung gleichermaßen bieten. Die hageren Giraffen sind wie Clowns auf Stelzen, wenn sie versuchen – ihre Beine im Halbspagat – den Kopf zum Wasser zu bekommen. Die scheinbar seelenruhigen Nashörner dagegen fechten nicht selten einen Machtkonflikt über das „Wasserrecht“ mit ihren Artgenossen aus. Mehr als böses Schnaupen und wuchtige Drohgebärden kamen dabei aber nie zustande. Durch ihre Masse und ihr agressives Verhalten stehen sie aber zweifellos sehr weit oben in der „Ich-bin-Chef-Hierarchie“, sodass selbst der Löwe auf Abstand bleibt wenn das Nashorn meint, vor dem Wasserloch ein stehendes Nickerchen zu machen – nicht anders lässt sich das völlig regungslose und gleichgültige Verhalten der Tiere erklären.
Tierliebe und Seelenruhe hin oder her, wen das liebe Nashorn meint, seine Route nach Hause direkt an deinem Auto vorbei zu beschreiten, dann ist es mit gemütlichem Zuschauen vorbei. Richtig spannend wird es aber erst, wenn man sich beim Elefantenbullen nicht mehr sicher sein kann, ob er das Auto überhaupt gesehen hat. So unbeirrt und schnurstracks kam der Fünftonner zu unserer Motohaube gelaufen, dass auch wegfahren keine Option mehr war. Die Spannungskurve endete für uns alle in einem verstummten Luftanhalten und hoffen.Erst einige Tage zuvor hatte uns jemand erzählt, dass Ruhe bewahren das einzig Richtige sei, denn zu 95% wollen die Elefanten nur beschnuppern und alles verläuft ruhig. Bleiben 5% Angst.

Eigentlich ist er ein kaltblütiger Jäger, der Leopard. Aber es ist kurz nach zwei und die erbarmungslose Mittagssonne steht am Zenit, als wir die nachtaktive Raubkatze direkt am Straßenrand entdecken. Wie im Bilderbuch liegt sie auf einem dicken Ast und lässt die Gliedmaßen zu den Seiten herabhängen. Die schon bald angesammelten Besucher beachtet er nur beiläufig, entscheidet sich dann aber, nach einem eleganten Abgang, in den Tiefen des Busches zu verschwinden. Wie sich später an jenem Tag herausstellen sollte hatten wir ungemeines Glück mit dem Leoparden, denn es gibt im ganzen Park gerade mal 80 Stück. So manch ein Anwohner ist seit 10 Jahren fast täglich als Tourguide im Park und hat diese eleganten Tiere noch nie zu Gesicht bekommen.
Mit diesen eindrucksvollen und außergewöhnlichen Erlebnissen im Gepäck brechen wir auf zu unserem letzen Stopp vor der Heimreise. Wieder sind wir Gäste bei unseren Verwandten, diesmal aber die Nachbarfarm . Um unsere Liste der spektakulären Tiere zu vervollständigen brechen wir noch zweimal mit unserem Gastgeber Jürgen alias „Tunke“ auf um einen der seltenen Elands zu Gesicht zu bekommen. Doch trotz perfekter Sicht und erfahrenem Guide müssen wir uns am Ende mit einem schmackhaften Eland-Steak zufrieden geben. Butterzart und intensiv. Was bei den Tieren hier auf der Farm aber auffällt ist, dass sie nicht an Menschen gewohnt sind, wie das noch im Etosha-Park der Fall war. So zum Beispiel die Herde Gnu’s, die nichts als eine Staubwolke zurücklässt nachdem sie uns gesichtet hat. Die Tiere können also doch schnell, verdammt schnell sogar. Ein weiterer auffälliger Punkt hier auf der Farm und eigentlich auch immer wieder im ganzen Land ist die Energieversorgung. Andrea und Tunke leben vollkommen autark vom Stromnetz. In den Sonnenstunden werden Wasserpumpen, Kühllager und Heißwasser durch Photovoltaik bzw. Solar versorgt. Föhnen und Wäsche waschen dagegen ist nur möglich wenn der Generator am Mittag für zwei Stunden läuft. Dann werden auch die Akkus für die Nacht geladen, sodass niemand merkt, dass der Strom hier nicht selbstverständlich fließt.

Zum Abschluss: Süd-West-Afrika ist eine Reise mehr als wert! Es ist eine wahrhaft atemberaubende Mischung aus unendlichen Weiten und kleinen Details, aus winzigen Insekten und den größten Landtiere der Welt, aus trockenen Einöden und grünen Paradiesen und vielem Anderen mehr. Es gibt sicher Länder die ihrer Größe wegen komfortabler zu bereisen sind, doch wer nach Namibia geht, der sollte sich auf eine gesunde Portion Einsamkeit einstellen, im besten Sinne. Unberührte Natur wie hier sieht man selten und die mehr und mehr nachhaltig operierenden Lodges und Hotels lassen einen mit gutem Gewissen schlafen. Ich hoffe, dass die Tourismusverbände die Einsamkeit und Originalität der Natur hier auch in Zukunft schätzen, damit noch viele nach uns hier entdecken können, was unsere Erde uns zu bieten hat.
 

Etosha & Der Norden – Schluss

Sossusvlei & Swakopmund – Die Dünen der Namib


Lebende Tote. Der vollkommene Gegensatz. Erbarmungslos, unwirtlich, einsam. So meinen wir die Wüste zu kennen. Aber sie ist wunderschön und vom Leben durchzogen. Man muss nur genauer hinsehen.


Es ist noch dunkel und kalt als wir uns von unserer Lodge auf den Weg zum Eingang des Naukluft-Parks aufmachen. Im Licht der Scheinwerfer sieht man Staubwolken wie Nebelschwaden in den trockenen Bäumen hängen, es ist vollkommen windstill. Nach knapp einer Stunde durch die seelenleere Dunkelheit sind wir, pünktlich zur ausgeschriebenen Öffnungszeit am Tor zum Naturreservat: Sonnenaufgang.
Im Park selbst führt eine Teerstraße langsam durch ein Tal in das endlose Sandgebirge. 45 Kilometer, dann erreichen wir die weltweit bekannte „Dune 45“, die aber lediglich wegen ihrer leichten Zugänglichkeit zu der Bekanntheit gelangt ist. Wir beschließen einstimmig, dass uns hier zu viel los ist und fahren direkt bis Streckenkilometer 60 der Parkstraße. Ende der öffentlichen Straße. Warnschilder kündigen an, dass das Weiterfahren ohne Vierradantrieb strengstens verboten ist. Keine 20 meter später ist uns klar wieso. Fast kniehoher, weicher Sand, der zu angenehmen Hügeln aufgeschoben ist. Die Achterbahnfahrt kann beginnen.
Vom Parkplatz aus können wir uns dann endlich alleine, ohne andere Parkbesucher, auf den Weg machen, die Dünenlandschaft zu erkunden. Es läuft sich wie erwartet extrem müsig. Ein Schritt vor macht einen halben Rutsch zurück, aber der schwere Gang entlang dem Dünenkamm wird mit einer wunderschönen Aussicht belohnt. Berge und Täler ziehen sich, von den Winden in ähnliche Wellenmuster geformt, durch die ganze Landschaft. So weit das Auge reicht Sand. Nach der ersten „Abfahrt“ ins Tal passen wir uns in dieses Bild perfekt ein: Sand in den Ohren, Sand in der Nase, Sand in der Hose, einfach überall. In manchen Tälern entstanden vor langer Zeit, als dort zuletzt Wasser zugegen war, die typischen Kalkablagerungen, aus denen künstlerisch die toten Bäume herausragen. Mit seinem bezeichnenden Namen ist das Deathvlei wahrscheinlich das bekannteste dieser Täler.
Der Sand ist hier in Sossusvlei ist rötlich gefärbt, weil die Körner von einer hauchdünnen Eisenoxidschicht umhüllt sind. Wie gerostet also. Strähnenartig wird er von schwarzem Magnetitpulver durchzogen, wodurch er einzigartige Muster entwickeln kann.

Deutsche Namibianer wurden 19… von den britischen Truppen interniert, damit sie nicht als Soldaten am ersten WK teilnehmen konnten. Dieser Festnahme wollten Henno Martin und Hermann Kurz entgehen, indem sie in die Wüste flüchteten, mit dem Plan, dort wie Nomaden zu überleben. Zwei Jahre lang konnten sie sich in der steinigen und lebensfremden Umgebung durschlagen, eine Unterkunft einrichten, Wasser finden und Wildtiere jagen. Die beiden zeigten uns Westlern eindrucksvoll, was sich all die afrikanischen Stämme schon lange zunutze machen: Die Wüste lebt, sie ist weder tot, noch verlassen.
Rechts die Dünen, links das Meer. So zieht sich die Straße nördlich in Richtung Swakopmund, wo wir die Lebendigkeit der Wüste entdecken wollen, nachdem wir den Naukluft-Park nach drei Tagen verlassen. Die Stadt selbst liegt inmitten des schier endlosen Namib-Küstenstreifens, der sich von Angola bis Südafrika durchs Land zieht. An großen Teilen der Küste erstreckt sich die bekannte Wüstennamib bis direkt ans Meer. Ein fantastischer Gegensatz. Keine 5 Minuten vom Stadtzentrum der altdeutschen Siedlung und man steht in der verlassenen Dünenlandschaft.
Diesmal hängen wirklich Nebelschwaden tief über dem Land, kein Staub. Auf unseren Jacken bildet sich eiskalter Tau, man könnte meinen es regnet. Kaum einer in der Tourgruppe friert heute morgen nicht. Wer rechnet auch mit nasskaltem Deutschlandwetter, wenn man nach Südwestafrika fliegt? „Nebel ist der Herzschlag für die Wüste“, erklärt Tommy, der Tourguide, begeistert. Entsprechend verlässlich kommt er hier in den Küstengebieten, um dem toten Sand leben einzuhauchen. An durchschnittlich 200 Tagen im Jahr ziehen sich die Schwaden morgens bis zu 90 KIlometer weit ins Land. Bis zum Mittag erkennt man kaum noch, dass hier mal Feuchtigkeit zugegen war, aber die Nahrungskette in der Namib ist extrem ausgeklügelt. So manch eine Oryx-Antilope verbringt ein ganzes Leben, ohne auch nur einen Tropfen Wasser zu trinken. Denn hier beginnt der Kreislauf des Nebels, der die Tierwelt mit Wasser versorgt. Ein Weg beginnt mit einem unscheinbaren Käfer. Zieht sich der Nebel wieder einmal übers Land führt dieser gekonnt einen Kopfstand aus, um dem Küstenwind die größtmögliche Oberfläche zu bieten. An seinem gewachsten Körper kondensiert dann das Wasser und läuft am Bauch hinab direkt in den Mund. 70 Prozent seinen Körpergewichts kann der Käfer so an Wasser aufnehmen. Eine laufende Wasserflasche. Und so wird er auch gebraucht, indem größere Tiere ihn verspeisen. Andere bedienen sich des Dollar-Busches, dessen münzrunde Blätter vor Wasser nur so triefen. Wieder andere besitzen gar eine spezielle zweite Blase, in der sie Wasser speichern können. Und, nicht zuletzt gibt es da das sogenannte metabolische H20. Grundsätzlich sind alle Lebewesen, auch wir, in der Lage im metabolischen Prozess, sprich der Verbrennung von Glucose zur Energiegewinnung, Wasser selbst zu erzeugen. Wir Menschen sind aber so undicht, kann man sagen, dass wir nachhelfen müssen. So manch ein Wüstentier hat den Energiehaushalt aber derart perfektioniert, dass sie sich ausschließlich von trockenem Gras ernähren können. Die ganze Theorie ist ja schön und gut. Erst aber, wenn der Guide plötzlich aus dem Geländewagen springt, die Düne hoch sprintet und mit einem Griff in den Sand aus dem endlosen Nichts einen Gecko hervorholt, dann glaubt man auch, dass diese Wüste lebt. Kein Normalsterblicher, würden wir sagen, findet hier solche Tiere. Zumal sich die meisten unter dem Sand verstecken und durch das bewegungsempfindliche Quarz menschliche Schritte schon auf 17 Meter Entfernung fühlen. Deswegen scheint die Wüste tot und einsam, was sie nicht ist. Sie versteckt sich.

Wer in Afrika eine Schwarzwälder-Kirschtorte und bayrische Haxen auf Sauerkraut sucht ist nicht verrückt, sondern genau richtig. Die Stadt an der Swakop-Mündung ist ein Überbleibsel der deutsch-afrikanischen Geschichte in Namibia. Überall findet man historische Gebäude, die mit altdeutschen Lettern als Apotheke, Bäckerei oder Buchhandlung gekennzeichnet sind. Fast wie in einer deutschen Altstadt läuft es sich durch die Einkaufszeile. Einzig die Palmen am Strand, der Linksverkehr und die englische Amtssprache passen nicht so ganz ins Bild. Es ist ein richtiger Kulturmischmasch. Bis auf diese speziellen Eindrücke ist die Stadt aber durchwachsen. Der historische Baustil wird durch pragmatische Neubauten verdrängt und die breiten Straßen vom Reisbrett erinnern eher an eine amerikanische Kleinstadt.

Nach vier Nächten verlassen wir die Zivilisation der 45000-Einwohner-Stadt wieder und begeben uns durchs Niemandsland schrittweise in den Norden Namibias.

Sossusvlei & Swakopmund – Die Dünen der Namib

Quer durchs Land – Keetmanshop, Fish-River, Lüderitz

Die ersten Tage auf der Farm sind vorbei. Wir haben schon so viel erlebt und gesehen, dass sich der Urlaub schon jetzt gelohnt hat, dabei geht es jetzt erst los. Samstag nach dem Frühstück werden die Sachen gepackt und ab geht’s zurück in Richtung Windhuk und von dort aus etwa 500km südlich nach Keetmanshoop, der Hauptstadt des Süden. Die B1, die sich von der angolanischen Grenze senkrecht durchs Land zieht, ist die größte Straße Namibias und deswegen eine der wenigen geteerten überhaupt. Dennoch entscheiden wir uns aufgrund eines Tipps von Jürgen Baas für die Schotterstrecke auf den ersten 200km. Landschaftlich abwechslungsreicher und noch weniger Verkehr als auf der Haupthandelsroute. Zum Verkehr und den Straßen muss man sagen: Nach einem Tag im Auto ist man die kurvenreichen Strecken, die Staus und die Sonntagsfahrer wirklich satt, zumal als Deutscher, wo man doch die kerzengeraden und verlassenen Strecken gewohnt ist. Ironie Ende. Die B1 wird von einheimischen nicht empfohlen, sie sei verkehrsreich und unschön zu fahren. Tatsächlich fällt auf, dass wir innerhalb der ersten 30 Minuten statt zwei Autos ganze zwanzig Verkehrsteilnehmer zu sehen bekommen haben. Kombiniert mit 12 Kilometern kurvenfreien Abschnitten wird daraus also eine unschöne Strecke. Großer Vorteil dieser Straßenführung ist aber eindeutig, dass man pausenlos mit Tempo 130 durchfahren kann und erstmals behaupten kann, man könne sein Fahrzeug bei dieser Geschwindigkeit noch kontrollieren. Läuft beispielsweise Wild auf die Straße sieht man das für gewöhnlich schon 2km im voraus und kann entsprechend reagieren. Allgemein sind die Größenverhältnisse nicht mit den Deutschen zu vergleichen. Das zeigt sich schon daran, dass der Gegenverkehr bereits 20km vor einer Geschwindigkeitskontrolle auf selbige durch Lichthupen aufmerksam macht. Uns hat das ziemlich verwirrt, weswegen wir nach dem fünften Aufblinker angehalten haben um nachzusehen, ob bei uns kein Tier auf dem Dach sitzt.


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In der Nähe von Keetmanshoop beenden wir unsere lange Tagestour im Quivertree Forest Rest Camp, direkt neben der bekannten Köcherbaum-Ansammlung. Von Köcherbaumwald kann man der geringen Zahl wegen eigentlich nicht sprechen. Beim Sonnenuntergang trifft man dort zwischen den Felsen zahllose kleine, biberähnliche Klippschliefer, die sich auf den Steinen sonnen oder im Schatten der faszinierenden Bäume tummeln. Durch ihr faserähnliches Inneres können diese Gewächse viel Wasser speichern und so in dieser lebensfremden Umgebung bestehen. Ihren Namen verdanken sie ebenfalls dieser Tatsache, da die vollständig ausgehöhlte Ummantelung hervorragend als Köcher dienen kann.
Die ganze Umgebung ab hier ist ein einziges Naturschauspiel. Riesige Felsformationen, die wie von Menschenhand gestapelt in der Landschaft stehen, bezeichnenderweise Giants Playground genannt, befinden sich direkt angrenzend an den Köcherbaumwald. Die nächsten Tage soll sich aber zeigen, dass solche absurden Felsstapel keine Seltenheit sind. Die eintönige Steppenlandschaft um die Hauptstadt verwandelt sich hier im Süden des Landes in eine hügelige und abwechslungsreiche Gegend.


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Zurück im Camp gibt es hausgemachten Oryx-Auflauf unter strenger Aufsicht der Haus-Gepardin, deren riesiges Gehege bis nah an das Camp heranreicht. Wie sich das in Namibia so gehört ist auch diese Farm von Tieren nur so bevölkert. Das Warzenschwein rollt sich auf dem Rasen und will am Bauch gegrault werden, während ein kleines Erdmännchen zu Gast bei den Haushältern ist. Diese erklären uns, dass Erdmännchen ein Beschützerinstinkt für die Besitzer entfalten und so sitzt das kleine eichhörnchenähnliche Tier auch wachsam bei den Kindern während diese fern sehen.


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Bevor es am nächsten morgen weitergeht in Richtung Fish-River Canyon dürfen wir noch zu der Gepardin ins Gehege. Sie lebt schon seit 17 Jahren auf der Farm und ist Menschen gewöhnt. Mehr Katze als Hund, erklärt die Haushälterin und entsprechend schnurrend bedankt sich Cheetah für die Streicheleinheiten. Nur eben 2 Tonlagen tiefer und so laut wie ein Motorroller im Standgas. Die Gewöhnung an Menschen darf man hier im Land meist nicht negativ sehen wie in Deutschland beispielsweise im Zoo, wo den Tieren jegliche Freiheit und Natürlichkeit genommen wird. Cheetah ist lediglich gut erzogen, aber dennoch wild, erklärt die Besitzerin: „Tiere verstehen mehr als man denkt“. Wenn Cheetah aber Wild gerissen hat hält auch die Ziehmutter sich fern, denn seine Beute verteidigt das edle Tier gemäß den natürlichen Veranlagungen mit aller Kraft.
Südlich von Keetmanshoop biegen wir bald wieder auf eine Schotterstraße ein, die uns süd-westlich quasi direkt zum Naturreservat des Fishriver-Canyons führt. Auf der drei-stündigen Fahrt durchfahren wir die nicht minder eindruckvolle Schlucht des Löwe-Flusses, der später in den Fish-Fluss mündet. Mit 160 Kilometern Länge und mehr als 500 Metern Tiefe ist es der zweitgrößte Canyon der Welt, den dieser Fluss geformt hat. Ein gigantisches Naturschauspiel, dass einem die Ewigkeit vor Augen führt, die es brauchte, bis solche Formationen entstanden sind.


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Übernachten dürfen wir während unseres Aufenhaltes in einem Selbstversorger Camp abgelegen von jeglicher Zivilisation. Nachts gehen wir dann raus und nutzen die perfekte lichtarme Umgebung um den fantastischen Süd-Sternehimmel zu betrachten. Allein schon die Vielzahl an Sternen die man ohne Fremdlicht zu sehen bekommt ist atemberaubend. Man verliert sich völlig in der Ewigkeit bei der Vorstellung, dass der feine, aber klar sichtbare Dunst der Milchstraße aus Abermilliarden von Sternen besteht. Wie weit wir sehen können ist eines, wie weit wir denken können etwas anderes, wie weit aber die Wirklichkeit tatsächlich geht bleibt uns aber trotz allen Methoden verschlossen. Dieses Rätsel lässt uns im Staunen zurück.

Nach drei Tagen geht es nördlich des Diamantensperrgebietes zur Hafenstadt Lüderitz. Direkt angrenzend an die kleine Stadt liegt Kolmanskop, eine Ghost-Town, die einst für die Diamantensucher errichtet wurde und nun völlig im Sand der Wüste versunken ist. Dabei hat Namibia eigentlich gar keine eigenen Diamantenvorkommen. Die zahlreichen Funde stammen alle ursprünglich aus Botswana bzw. Südafrika und wurden durch den Oranje-Fluss ins Meer geschwämmt, von wo aus sie wiederum an die Küste Namibias gespült wurden. Seit diese Vorkommen an der Küste bekannt sind ist ein riesiges Küstengebiet zur Sperrzone erklärt worden und es ist noch heute strengstens verboten, die Straßen zu verlassen, die teilweise durch diees Gebiet führen.
Lüderitz selbst ist ein Beispiel für die Goldgräberstimmung die damals im Südwesten des Landes geherrscht haben muss. So gab es in der Stadt lange Zeit nichtmal eine Wasserquelle, sodass das kostbare Nass aus Südafrika per Schiff importiert werden musste. Eine völlig absurde Vorstellung, aber wo Geld ist, ist bekanntlich auch ein Weg.

Unser Weg führt uns als nächstes nördlich, entlang der Namib, zu den Dünen von Sossusvlei. Man darf gespannt sein, auch wenn die Bilder erst nachkommen.

Quer durchs Land – Keetmanshop, Fish-River, Lüderitz

Namibia #1 – 3 Tage auf der Farm


Unsere vierwöchige Namibiareise beginnt nicht irgendwie, sondern gleich ganz besonders. Wir haben Namibia auch nicht einfach so als unser Reiseziel 2015 ausgesucht, sondern aus einem speziellen Grund: Seit mehreren Generationen besitzen verwandte von uns dort zwei Farmen und die dürfen wir nun besuchen.


Als Michael und Georg Baas, die Brüder unseres Ur-Urgroßvaters, 1904 und 1907 nach Namibia kamen, war Deutschland noch Kaiserreich. Es herrschte Aufbruchstimmung in den Kolonialgebieten Süd-West-Afrikas und viele Deutsche kamen mit den sogenannten Schutztruppen ins Land. Nicht selten wurden die weitläufigen Landgebiete quasi ohne Gegenleistung von der deutschen Regierung an die Soldaten vergeben. Sieben Jahre nach seiner Ankunft gründete der gelernte Maurer Georg dann die Farm „Ombuerendende“ etwa 80km nordöstlich der heutigen Hauptstadt. 1,50 Mark pro Hektar, Wasser muss er selbst suchen und hat Glück damit. Die langjährige Farmtradition unserer Verwandten beginnt. Wie schon damals verdienen sich auch 2. Generationen später Sigi und Heide Baas hauptsächlich mit der Rinderzucht und der Wildjagd ihr Brot. Seit vergleichsweise kurzer Zeit wird auch der Jagdtourismus immer beliebter und so dient die Farm neben dem üblichen Betrieb auch noch als Gästefarm:

50km Teerstraße vom Ausgangspunkt Windhuk aus, dann biegen wir am Mittwochmittag auf die landesüblichen Schotterstraßen ein. Rechts und Links der „Straße“ endloseweite Steppenlandschaft in verschiedenen Braun- und Mattgrüntönen. Von dem großen Schild, das den Eingang zur Farm von Sigi und Heide ankündigt sind es nochmals 8km zum Haus, die erahnen lassen, wie riesig das Gelände ist. Plus-Minus 8000 Hektar, erklärt uns Sigi später, beim Empfang mit Kaffee und Kuchen. Zum Vergleich: 450 Hektar umfasst das komplette Rebland in Durbach.
Farmen ist hier im Land ein Geschäft für Weiße. Der Regelfall gestaltet sich wie bei unseren Verwandten Baas: Seit der Kolonialzeit wird der Besitz stets an die Kinder abgegeben. Quereinsteige gibt es selten, Schwarze noch seltener. Die Ureinwohner arbeiten zumeist als Angestellte, die angrenzend an die Farm in kleinen Blechhütten wohnen. Das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen hat sich zweifellos gebessert seit Anfang des letzten Jahrhunderts, doch die grundlegenden Schichten scheinen bebehalten geworden zu sein. Heide erklärt uns aber, dass die meisten Schwarzen, kein Bestreben zeigen, diese Struktur zu verändern. Schon durch die Kindheit in ihrem sozialen Umfeld mangele es ihnen an Selbstständigkeit und dem Willen, mehr zu leisten. Einmal habe sie einem Mitarbeiter einen Stock Tomaten geschenkt, damit er sie zuhause anbauen kann. Obwohl er auf der Farm tagein tagaus nichts anderes zu tun hatte, als Tomaten und anderes Gemüse zu gießen, ließ er den Stock zuhause verdursten. Er wusste nicht, was damit zu tun war.
Feste Arbeitsverhältnisse kennt man hier ebenfalls nicht. Manchmal erscheinen die Angestellten einfach nicht zur Arbeit oder verlassen die Farm komplett, ohne Ankündigung.a Dann kommen wie von selbst aber schon andere, die von der freien Stelle gehört haben. Ein Mangel an Arbeitskräften herrscht nicht. Sigi erklärt auch, dass die Arbeiter ihren Lohn wöchentlich erhalten, da sie nicht über einen ganzen Monat haushalten können. Es sind ernste aber interessante Einblicke, die man in so einem Kleinbetrieb bekommt. Soll jetzt nicht heißen, wir hätten nur soziale Diskrepanzen gesehen. Es hat auch etwas abentuerliches so abgelen in der Wildnis sein Leben zu bestreiten.


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Gerade kommen zwei Arbeiter mit dem Quad zurück zur Farm. Auf dem Anhänger liegen zwei gewaltige Oryx-Antilopen, rehähnliche Tiere mit langen, geraden Hörnern. Sie werden im Freien Aufgefhängt und fachmännisch gehäutet. Kaum sind die Felle weg, stehen acht Angestellte um den Schlachtplatz. Einer greift sich die Innereien, ein anderer wäscht das Fell. Alle freuen sich und machen Witze, es ist ein richtiges Schlachtfest. Grundsätzlich wird nur einmal die Woche gejagt, um den Eigenbedarf zu decken, außer es ergibt sich eben anderst. Meist sind es wie heute Oryx, aber auch Warzenschweine, Springböcke und Kudus stehen auf dem Speiseplan. Insgesamt etwa 600 Großwildtiere schätzt Sigi auf dem Gelände, unter denen sind auch Schakale, sowie einige wenige Geparden und Leoparden. Der restliche Bedarf an Lebensmitteln muss weitgehend in Windhuk eingekauft werden, weshalb Fleisch neben Maismehl und Milch ein relativ günstiges Hauptnahrungsmittel darstellt.Obst und Gemüse wächst im ganzen Land nur wenig, es ist zu trocken und im Winter zu kalt. Bei Heide und Sigi im Farmhaus gibt es dennoch vorwiegend klassich deutsche Kost, die Heide täglich für die Gäste zaubert. Wildfleischschnitzel, Wildfleischsalat, Eieraufstrich. Die Auswahl ist vielfältig und immer hervorragend. Die Vollpension bei den beiden bucht man auch als Nicht-Verwandter immer mit vollem Familien und Farmanschluss, was den besonderen Reiz der Unterkunft ausmacht.


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Schon beim Frühstück begrüßt uns der kleine Papagei Maxi, der hungrig die Haferflocken mit Sigi teilt. Draußen tollen die Hunde durch den Hof und warten auf die frische Milch, während Christina, ein Hausmädchen gerade Muggy, eine verwaiste Oryx-Antilope mit dem Fläschen füttert. Glückliche Tiere, wohin man auch schaut. Alle freilaufend und trotzdem gibt es keinen Streit. Die Hunde sind bestens erzogen, der Papagei weiß, wo er sitzen darf und selbst die wilde Antilope hat sich an die Frühstückszeiten gewohnt und erscheint pünktlich zur Fütterung. Nachdem wir einen der Sträuße mit Maisschrott gefüttert haben machen wir mit Sigi auf dem Jeep eine kleine Rundfahrt über die Farm. Dabei erklärt er uns, dass er das Wasser von einem Grundwasserbrunnen nahe des Farmhauses auf drei Reservoirs auf verschiedenen Hügeln pumpt. Von dort aus läuft es mithilfe der Lageenergie zu den Futterstellen, wo sich die Rinderherden sammeln. Zurzeit haben sie in ganz Namibia ein Wasserproblem, weil es im letzten Jahr nicht ausgiebig geregnet hat. Auch Sigi weiß nicht, ob und wann seine Quelle versiegt, geht aber davon aus, dass er dieses Jahr noch sicher übersteht. Denn gerade erst vor 10 Jahren haben sie eine großangelegte Buschrodung durchgeführt, durch die der Wasserspiegel enorm ansteigt. Jeder Busch, und davon gab es pro Hektar etwa 2000, verbraucht nämlich am Tag etwa 65 Liter Wasser, die einfach so in die Luft gepulvert werden. Das wirkt sich natürlich auf den Wasserhaushalt aus. Man fragt sich ohnehin, wo hier überhaupt Wasser herkommen soll, wenn der letzte Schauer 4 Monate zurückliegt. Doch so unglaublich es für uns klingt, die riesige Senke, auf die man von der Farm aus hinabsieht, füllt sich nach der Regenzeit komplett mit Wasser und bildet einen gigantischen See. Der Wandel der kargen Landschaft ist so fundamental, dass man meinen könnte, es sei ein anderes Land.
Am letzten Tag schließen wir unseren Aufenthalt mit ein em gemütlichen Grillabend im Garten ab. In Namibia ist gerade Winter, weswegen es Nachts bis auf etwa 8 Grad abkühlt. Letzte Woche gab es laut Heide und Sigi sogar Frost. Für uns ist das super angenehm. Mittags mollige 28°C mit Sonne und einem frischen Südwind und Nachts schön kühl zum schlafen, wenn man gerade nicht den atemberaubenden Sternenhimmel bestaunt. Doch dazu später mehr.

Grüße,
die Franzes, zumindest die Fraktion, die noch zuhause wohnt.


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Namibia #1 – 3 Tage auf der Farm